"Love Never Dies" - Magdeburg - DomplatzOpenAir

Veröffentlicht am 21. Juni 2024 um 22:36

Premierencast

Rolle Verkörpert durch
Phantom/Mr. Y Patrick Stanke
Christine Daaé Martina Lechner
Raoul, Vicomte de Chagne Sebastian Seitz
Meg Giry Sophia Gorgi
Madame Giry Manja Stein
Gustave, Christines Sohn Sarah Gadinger
Gangle Thomas Wißmann
Squelch Dani Spampinato
Fleck Maike Katrin Merkel
Artistin, Tänzerin Nina Kemptner

Andrew Lloyd Webbers Musical "Love Never Dies", zu Deutsch "Liebe stirbt nie", als umstrittene Fortsetzung des Erfolgsmusicals "Das Phantom der Oper", hat das DomplatzOpenAir des Theaters Magdeburg erreicht. Trotz kleinerer Patzer konnte das Theater einmal mehr seine Brillanz bei der Inszenierung von Musicals auf einer Freilichtbühne unter Beweis stellen.

 

Besuchte Premiere: 14.06.2024 21:00 Uhr

 

Vor der beeindruckenden Kulisse des Magdeburger Doms erlebten die Zuschauer die Geschichte des Phantoms zehn Jahre nach dem Vorfall in der Pariser Oper. Es nennt sich nun Mr. Y und ist der Eigentümer von Phantasma auf Coney Island in Amerika – einer Art Zirkus und Freizeitpark, in dem sich die sogenannten "Freaks" zuhause fühlen können. Madame Giry und Meg halfen ihm vor zehn Jahren, zu fliehen und sein neues Imperium aufzubauen. Meg tritt als Tänzerin und Sängerin in seinen Shows auf und ringt um die Anerkennung und Aufmerksamkeit des Phantoms. Doch seine Gedanken sind nur bei Christine. 

Als sie zusammen mit Raoul, der nun spielsüchtig und alkoholabhängig ist, und ihrem kleinen Sohn Gustave nach Coney Island kommt, um dort zur Eröffnung des Manhattan Opera House zu singen, nimmt die Geschichte ihren verhängnisvollen Lauf.

 

Die Dramaturgie unter der Verantwortung von Ulrike Schröder und die Regie sowie Choreografie unter der Leitung von Pascale-Sabine Chavroton führten zu einer bemerkenswerten Inszenierung. Besonders positiv fiel die Rückblende auf, bei der das Publikum erlebte, wie das Phantom vor der Polizei floh, dabei auf den Eiffelturm kletterte und dort mutmaßlich erschossen wurde. Diese dramatische Szene erleichterte den Zuschauern den Einstieg und schuf eine direkte Verbindung zum ersten Teil. Eine besonders mitreißende Darstellung war die dramatische Sterbeszene, in der Gustave, anders als in der bekannten englischsprachigen Aufnahme, die ganze Zeit präsent blieb und somit die emotionale Wirkung noch verstärkte. Auch schien es realistischer, dass Raoul, entgegen der Aufnahme, nicht plötzlich zurückkehrt, sondern fortbleibt.

Die Choreografien und die subtile Verfolgung der reiferen Christine durch ihr jüngeres Ich, dargestellt von der Artistin und Tänzerin Nina Kemtner, waren ebenfalls hervorzuheben. Die "Freaks" krochen akrobatisch unter der Zuschauertribüne hervor und nutzten somit auch den Platz vor der Bühne.

Ein weiteres Highlight war das innovative und detailreiche Bühnenbild. Links stiegen riesige Wellen empor, daneben ein kleiner Eiffelturm und einige Drehelemente, darunter ein großer Kopf mit Maske, der sich in eine Garderobe verwandelte. Das Bühnenbild beinhaltete rechts zudem ein Karussell und ein riesiges Clownsgesicht, in dem die Magdeburgische Philharmonie Platz fand und die Musik von Andrew Lloyd Webber eindrucksvoll zum Leben brachte. Besonders erwähnenswert war der scheinbar gepflasterte, nach links unten geneigte Boden und das Wasserelement als Fluss auf der rechten Seite, welches u.a. ein kleines Boot trug.

Tanja Liebermann verantwortete die eleganten Kostüme, die mit Anzügen und Kleidern entsprechend der Zeit des frühen zwanzigsten Jahrhunderts hochwertig gestaltet waren. Die Kostüme der "Freaks" zeugten von großer Kreativität. Die Maske wurde von Sigrid Voigt verantwortet. Das Phantom überraschte zunächst mit blonden, langen Haaren, was sich jedoch bei genauer Betrachtung des ersten Teils und der Charakterentwicklung als nachvollziehbar herausstellte. Die Maske des Phantoms war detailreicher und furchterregender als gewohnt.

 

Das Lichtdesign unter der Leitung von Andreas Schmidt verstärkte besonders im zweiten Akt, wo es bereits dunkel war, die angespannte, bedrohliche und zauberhafte Stimmung der fortgeführten Geschichte zwischen Christine und dem Phantom.

 

Eine störende Unterbrechung unter der Verantwortung von Clemens von Witte und Sven Lorenz des sonst so gelungenen Premierenabends war, dass die Mikrofone von Patrick Stanke und Sarah Gadinger im zweiten Akt zweimal hintereinander zu spät aufgedreht wurden. Dies führte dazu, dass die Sänger einige Sekunden ohne Verstärkung sangen.

 

Der Opernchor des Theaters Magdeburg fügte sich perfekt in das Stück ein und schmetterte die Töne mit beeindruckender Kraft ins Publikum.

Der Tenor Patrick Stanke, der die Rolle des Phantoms bzw. Mr. Ys innehatte, konnte diesem seine klare, kraftvolle Stimme verleihen, deren warmes Timbre eine Wohltat im gesamten Stück war und die an vielen Stellen mit einem angenehm geführten Vibrato überraschte. Er sang die Flut der Emotionen des Phantoms direkt in die Herzen des Publikums. Auch wenn er an einer Stelle des intensiven Duetts "In rabenschwarzer Nacht" minimal versetzt einsetzte, war dieses Lied eines der vielen Highlights des Musicals, genauso wie "Einst in einer and’ren Zeit" und viele weitere Lieder des Abends, die er nicht nur mit seinem Gesang bereicherte, sondern auch mit seiner mitreißenden Darstellung der zerrissenen Gefühlswelt seiner Rolle.

Christine wurde von Martina Lechner verkörpert. Ihre kräftige Stimme harmonierte hervorragend mit der Rolle, die sie sich auch darstellerisch zu eigen machen und dem Publikum nahe bringen konnte, und war zumeist sehr kontrolliert geführt. Nur manchmal gab es Schwierigkeiten bei der Verständlichkeit ihrer gesungenen Worte, wie im Duett "In rabenschwarzer Nacht", und in den hohen Tönen wie im titelgebenden Lied "Liebe stirbt nie" ließ sie leichte tonale Schwächen erkennen. Jedoch war dieses Lied unbestritten das von ihr verantwortete Highlight des Abends.

Sebastian Seitz als Raoul, Vicomte de Chagny, wusste den Abend über makellos mit einem angenehm warmen Timbre zu singen. Das Duett mit Patrick Stanke, "Wer verliert, geht unter", blieb hier besonders in Erinnerung. Seitz konnte seiner Rolle des Raouls eine gewisse Tragik verleihen, die ihm mehr Sympathie vom Publikum versprach.

Sophia Gorgi als Meg Giry zog die Zuschauer mit ihrem eigenen Charme in ihren Bann und überraschte in ihrer Rolle, deren Dramatik sie vor allem zum Finale authentisch darzustellen verstand. Ihre helle Stimmfarbe konnte in der Rolle überzeugend wirken, auch wenn ihre Darbietung an wenigen Stellen nicht hundertprozentig sauber war. Es machte Spaß, ihr dabei zuzusehen und zuzuhören, wie sie diesen Charakter sich im Laufe des Stücks entfalten ließ.

Madame Girys Stärke, Zorn und Enttäuschung wurden von Manja Stein sowohl darstellerisch als auch gesanglich kraftvoll interpretiert. Mit ihrer kratzigen Stimme konnte sie Szenen wie beispielsweise das Finale des ersten Akts in ein intensives Erlebnis verwandeln.

Sicherlich ist es diskussionswürdig, ob es der Rolle von Gustave gerecht wird, wenn sie von einer Frau übernommen wird. Hier übernahm Sarah Gadinger diese. Es war eindeutig, dass sie ihre Stimme extra breit führte, um kindlich zu klingen. Leider beeinträchtigte dies die Gesangsqualität. In Anbetracht der gegebenen Umstände ist fraglich, ob diese kindliche Note bei den Liedern tatsächlich so relevant war. Nichtsdestotrotz setzte sie Gustaves junge, unschuldige Naivität und Verspieltheit wunderbar um und verlieh der Rolle einen eigenen Charakter.

 

Die Openair-Inszenierung des Musicals "Love Never Dies" in Magdeburg ist absolut gelungen und überaus sehenswert für jeden, der eine fantastische Show, eine dramatische und fesselnde Geschichte sowie großartige Darsteller erleben möchte.